Nachruf auf den Wirtschaftsinformatiker Dr. rer. oec. Klaus Kruczynski, Professor der HTWK Leipzig.
Klaus Kruczynski sah man auch nach seinem Ruhestand an unserer Fakultät und im Nachbargebäude der Hochschule für Telekommunikation. Unaufhörlich schienen sein Geist und sein Interesse an Inhalten und seinen Mitmenschen: Er war stets aktiv, begab sich auf die eine oder andere Bildungsreise und hielt den Kontakt zu seinen Wegbegleitern und ehemaligen Studierenden. Kaum zu glauben, dass er nicht mehr da ist. Er war ein fester Bestandteil unserer Hochschule.
Klaus Kruczynski wurde am 6. September 1944 in Zwickau geboren und wuchs in einem freiheitlich-christlichen Elternhaus auf. Kirchenmitgliedschaft, Konfirmation und Systemskepsis erschwerten seinen Ausbildungs- und Berufsweg in der ehemaligen DDR, der fast darin mündete, seinen Weg ohne Hochschulreife zu bestreiten. Jedoch setzte sich Klaus Kruczynski durch und legte sein Abitur sogar mit Auszeichnung ab.
Breit gefächert war sein Interesse – vor allem für Sprachen und Naturwissenschaften. Er entschied sich für ein Ökonomiestudium am Wunschort Leipzig, wo seine Bewerbung für die damalige Hochschule für Binnenhandel angenommen wurde. Kurz darauf wurde sie Bestandteil der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Karl-Marx-Universität Leipzig, wo er schnell erste akademische Erfolge auf dem Gebiet der Informatik erzielte, zum Beispiel mit einer Arbeit zur Tourenoptimierung. In dieser Zeit war er in der Evangelischen Studentengemeinde aktiv, was ihm eine Beobachtung durch die Stasi einbrachte.
Seine Weigerung Stasi-Mitarbeiter und SED-Mitglied zu werden, verhinderte zunächst eine Fortsetzung seiner wissenschaftlichen Karriere. Sein Einstieg in das Berufsleben begann er daher mit einer Tätigkeit als EDV-Organisator beim VEB Bürotechnik, später VEB Robotron-Anlagenbau Leipzig – ein Betrieb des Kombinats Robotron der als größter Computerhersteller der DDR bekannt war. Währenddessen wurde auch seine ausgeprägte Reiseleidenschaft geweckt, die ihn bereits in den achtziger Jahren über Westbesuche zu aufregenden Reisen nach Straßburg, Paris und Amsterdam führte.
Schließlich brachten ihn seine außergewöhnlichen Leistungen bei Robotron, über verschiedene Publikationen auf dem Gebiet der Datenbanken, zur externen Promotion an der Hochschule für Ökonomie. Seine Dissertationsschrift zum Doktor der Wirtschaftswissenschaften, kurz „Dr. rer. oec.“, verteidigte er 1973 erfolgreich in Berlin. Inhalt war ein rechnergestütztes OR-Modell zur Betriebsanalyse der Energieversorgung.
Klaus Kruczynski gründete eine Familie, aus der drei Kinder hervorgingen und wechselte 1975 als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an das Institut für Energetik in Leipzig, kurz „IfE“, das das wissenschaftlich-technische Zentrum der Energiewirtschaft der DDR war.
Eine Habilitation wurde ihm „systembedingt“ verwehrt, er konnte jedoch am Institut forschend tätig sein, unter anderem
- zur Systemanalyse für große DV-Systeme der Energiewirtschaft,
- zum Datenbankentwurf,
- zur Datenbankprojektierung und -implementierung,
- zu Datenbanken-Entwurfs-Tools und
- durch Mitarbeit in Gremien der Datenbankforschung.
Die Forschungsarbeiten zum Datenbankentwurf wurden in mehreren Veröffentlichungen festgehalten und auch im Ausland vorgestellt.
Stets wichtig waren ihm das Gemeindeleben und die damit verbundenen Aktivitäten. Mit seinem Engagement in der Leipziger Taborgemeinde baute er ein Netzwerk an Kontakten auf und erlebte dort eine erbauliche Zeit. Leider sorgte dies aber auch immer wieder dafür, dass er und seine Familie im Berufsleben und auch in der Schule mit dem DDR-System in Konflikt gerieten.
Das Ende der deutschen Teilung und den Beginn der Wende erlebte Klaus Kruczynski auf Forschungsreise in Russland. Nicht nur das politische System änderte sich für die Bürger der sogenannten „neuen Bundesländer“, auch zahlreiche Institutionen und Betriebe waren von Umstrukturierungen und Schließungen betroffen, und damit auch die Arbeitsorte und Inhalte der dort werktätigen Menschen. Bedingt durch diesen wirtschaftlichen Umbruch stand ebenso für Klaus Kruczynski eine berufliche Neuorientierung an.
Bereits 1990 folgte ein Wechsel in die neu aufgebaute Leipziger Siemens Nixdorf Informationssysteme Repräsentanz. Die Tätigkeit als Siemens-Fachberater führte ihn auch an die HTWK Leipzig, die 1992 neu gegründet wurde. Eine neu zu besetzende Stelle für eine Professur für Wirtschaftsinformatik reizte ihn sehr. Der Bewerbung folgte 1993 der Ruf an unsere Hochschule.
„Wo gehn wir denn hin? Immer nach Hause.“
Zitat aus: Novalis, „Heinrich von Ofterdingen“, Berlin 1802 (posthum).
Sein Lehrziel bestand fortwährend darin, die Wirtschaftsinformatik als Chance für den erfolgreichen Einstieg in den Arbeitsmarkt und als wichtige Voraussetzung zur beruflichen Entwicklung zu vermitteln. In diesem Sinne trat er beispielsweise für die HTWK der SAP University Alliance bei, um den Studierenden eine fundierte und in der Wirtschaft sehr nachgefragte Ausbildung zu ermöglichen.
Diese Inspiration für Wirtschaftsinformatik führt bis heute Generationen seiner Absolventen in das einst von ihm initiierten WIN-Meeting zusammen. Aller zwei Jahre treffen sie sich in Leipzig zum Erfahrungsaustausch und fröhlichen Wiedersehen.
Aus dem mit Professor Winfried Brecht gemeinsamen geführten Vertiefungsbereich der Wirtschaftsinformatik sind heute ehemalige HTWK-Studierende in vielfältigen Positionen in der ganzen Welt tätig. Und so entwickelte Klaus Kruczynski sein Netzwerk national und international ständig weiter, wovon viele Studierende in spannenden Praxisarbeiten profitierten.
Die kontinuierliche Pflege internationaler Kontakte ermöglichte ihm, Lehre und Forschung mit seinem außerordentlichen Interesse für andere Länder und Kulturen zu verknüpfen. Er baute unter anderem eine intensive Erasmuspartnerschaft mit der University of Applied Sciences, Espoo/Finnland auf, die bis heute gegenseitige Lehr- und Studienaufenthalte ermöglicht.
Von 2000 bis 2005 bekleidete er das Amt des Prodekans an der Seite des Dekans Professor Peter Uecker, der ihm zum Freund wurde.
Am 12. Oktober 2010 wurde Klaus Kruczynski im Rahmen der Feierlichen Immatrikulation im Gewandhaus zu Leipzig die Jakob-Leupold-Medaille für seine großen Verdienste um die HTWK Leipzig verliehen und damit sein außergewöhnliches Wirken an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät gewürdigt. Auch nach Eintritt in den Altersruhestand war er noch mit Lehraufträgen an verschiedenen Hochschulen tätig.
Am 28. Dezember 2022 verstarb Klaus Kruczynski im Alter von 78 Jahren. Er wird uns als Kollege, Mentor und Weggefährte sehr fehlen. Wir werden ihn in dankbarer, liebevoller und respektvoller Erinnerung behalten. Unser tiefstes Mitgefühl und allerherzlichstes Beileid gilt seiner Familie.