Die Nachrichten zu Versorgungsengpässen überschlagen sich und die Diskussionen sind angeheizt, wie damit umzugehen ist. Unter anderen werden die globalisierten Lieferketten als Risikofaktor thematisiert. In einer Studie haben wir untersucht, inwieweit die Covid-19-Pandemie Unternehmen tatsächlich zum Umdenken hinsichtlich der geografischen Reichweite der Supply Chains bringt.
Das Schlagwort Resilienz hat spätestens durch die Folgen der Covid 19-Pandemie auch die Lieferketten erreicht. Resilienz stellt damit eine ganzheitliche Systemeigenschaft dar und geht weiter als die Robustheit oder Verletzlichkeit einer Supply Chain, die im Risikomanagement in Bezug auf konkrete Gefahren wie etwa die Unterbrechung eines Lieferwegs definiert werden.
Eine zentrale Stellgröße ist dabei die Systemkomplexität – also die bestehende Supply-Chain-Struktur. So könnte eine stärke Diversifikation, d.h. ein Ausbau der Lieferkette notwendig sein, um Störungen besser widerstehen zu können. Oder es wurde bereits der Punkt überschritten, ab der eine Lieferkette nicht mehr beherrschbar ist, sodass sie verlagert oder verkürzt werden muss. Zu diesen Fragen wurden 87 Supply-Chain-Verantwortliche hinsichtlich der Versorgung der Produktionsstandorte im DACH-Raum mit Produktionsmaterial befragt. Im Fokus standen dabei die Auswirkungen der ersten Pandemiewelle.
Die Ergebnisse wurden heute auf der virtuellen EurOMA 2021 (Jahrestagung der „European Operations Management Association“) vorgestellt.
Basierend auf der Stichprobe scheint die erste Welle der Covid 19-Pandemie keine grundlegende Deglobalisierung der Lieferketten zu bewirken. Vielmehr sehen wir bereits seit der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise in 2008/2009 nach einem kurzen Rückgang eine Seitwärtsbewegung des Anteils der Güterexporte am globalen BIP. Somit hielt der Globalisierungsprozess der Supply Chains schon über das letzte Jahrzehnt nur noch mit dem wirtschaftlichen Wachstum Schritt, was als ein gewisses Einpegeln der internationalen Arbeitsteilung interpretiert werden kann.
Individuell muss natürlich jedes Unternehmen die Resilienz seiner Supply Chain regelmäßig bewerten und justieren. Die Covid 19-Pandemie hat diese ganzheitliche Betrachtung zwar deutlicher in den Mittelpunkt gerückt, ist aber offenbar – zumindest nach diesen ersten Beobachtungen – als globale Krise selber kein Auslöser weitgreifender proaktive Veränderungen in geografischer Hinsicht. Einige schwer betroffene Unternehmen überdenken ihre Ausrichtung, aber hier ist die Covid 19-Pandemie letztendlich wohl eher die Reaktion auf einen individuellen Versorgungsengpass wie auch die aktuellen Probleme auf den Seewegen oder die Versorgung im Holz- und Halbleiterbereich.
Isabell Glasewald, Holger Müller