Heute startet die 29. Weltklimakonferenz in Baku: HTWK-Professor Bodo Sturm zeigt mit anderen Autoren im Policy Brief Lösung für Kooperationsprobleme
Die 29. Weltklimakonferenz vom 11. bis 22. November 2024 in Baku, Aserbaidschan, steht unter Erfolgsdruck, denn die globalen CO2-Emissionen müssen schnell und drastisch sinken, um dem fortschreitenden Klimawandel wirksam entgegenzuwirken. Wenn die Bemühungen im derzeitigen Tempo weitergehen, wird die Erderwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts voraussichtlich 2,8 Grad Celsius betragen. „2015 haben sich die knapp 200 beteiligten Vertragsstaaten in Paris darauf geeinigt, die Erderwärmung auf maximal 2 Grad Celsius zu begrenzen. Doch die freiwilligen Selbstverpflichtungen und Emissionsminderungen reichen nicht aus, um das Klimaziel zu erreichen“, heißt es im Policy Brief, den Bodo Sturm, HTWK-Professor für Volkswirtschaftslehre und Quantitative Methoden, gemeinsam mit Carlo Gallier von der Freien Universität Bozen und Prof. Axel Ockenfels von der Universität Köln verfasst hat.
Die drei Forscher arbeiten insbesondere mit Laborexperimenten zu Fragen der Umweltökonomik, also dazu, wie Umweltprobleme in einer Welt der Knappheit am besten gelöst werden können. „Mit unserem Policy Brief wollen wir den Teilnehmenden der Weltklimakonferenz unsere Forschungsergebnisse vermitteln und empfehlen, stärker auf das Prinzip der Reziprozität zu setzen. Das ist bisher in der internationalen Klimapolitik noch nicht wirklich angekommen“, so Sturm. Erreicht werden sollen zudem politische Entscheidungsträger in Ministerien und anderen Institutionen sowie die interessierte Öffentlichkeit. So appellieren die drei auch an die Politik in Deutschland, in der Klimapolitik stärker als bisher auf die Verhaltensökonomik zu setzen und die aktuelle Forschung in diesem Bereich zu berücksichtigen.
Die Untersuchungen und Ergebnisse des Policy Briefs
Konkret diskutieren die drei Autoren im Policy Brief aktuelle Forschungsergebnisse und liefern mit ihrer Studie eine evidenzbasierte Bewertung der Maßnahmen des Pariser Klimaabkommens. Dabei gehen sie unter anderem auf die freiwilligen Selbstverpflichtungen des Pariser Klimaabkommens ein, in dem auch der Ratchet-up-Mechanismus festgeschrieben ist. Demnach sollen die teilnehmenden Staaten ihre Beiträge zum Klimaschutz im Laufe der Zeit kontinuierlich erhöhen. Tatsächlich geschieht dies aber nicht in ausreichendem Maße. Der Mechanismus könne sogar zu gegenteiligen Effekten führen, etwa wenn beispielsweise Staaten aus strategischen Gründen bereits zu Beginn weniger ambitionierte Ziele wählen oder ihre Kooperationsbereitschaft reduzieren. Selbst ein Anstieg der Beiträge zum Klimaschutz könne dann unter Umständen den anfänglichen Rückgang nicht ausgleichen. Zudem erhöht der Mechanismus die Gefahr für kooperative Staaten, von Trittbrettfahrern ausgenutzt zu werden.
Die Ergebnisse ihrer Studie beruhen auf konzeptionellen Überlegungen, Simulationsstudien und Daten, die unter kontrollierten Bedingungen im Rahmen eines ökonomischen Laborexperiments erhoben wurden.
Kooperationsprobleme lösen durch Reziprozität
„Die internationale Klimapolitik hat ein Kooperationsproblem, doch weder freiwillige Selbstverpflichtungen noch der Ratchet-up-Mechanismus lösen das zugrundeliegende Anreizproblem. Die Anreiz- und Verhaltensforschung legt nahe, dass es vor allem eines braucht, um Kooperationsprobleme zu überwinden: Reziprozität“, heißt es im Policy Brief.
Reziprozität beschreibt eine Gegenseitigkeit bzw. Wechselbeziehung. „Für den Klimaschutz bedeutet dies, dass sich alle Mitgliedsstaaten zu häufigeren Verhandlungen und Klimaschutzbeiträgen verpflichten. Häufigere Interaktionen ermöglichen es den Mitgliedsstaaten beispielsweise, zunächst vergleichsweise kleine und risikoarme Schritte im Klimaschutz zu wagen“, so Sturm. Durch die Vielzahl der Interaktionen entstünde schließlich ein Umfeld, in dem gegenseitiges Vertrauen aufgebaut und reziproke Kooperation entstehen könne. Zudem würden die Teilnehmenden vor Ausbeutung geschützt und Kooperationsanreize geschaffen. Die Autoren empfehlen deshalb den Teilnehmenden der 29. UN-Klimakonferenz, „die kooperationswissenschaftliche Literatur stärker zu berücksichtigen und die überragende Rolle der Reziprozität bei der Lösung praktisch aller Kooperationsprobleme anzuerkennen“.