Ein anstrengendes Sommersemester mit bislang völlig unbekannten und enorm herausfordernden Bedingungen liegt hinter uns. Corona hat alles bestimmt – und ist noch nicht vorbei. Deshalb wird auch das Wintersemester wieder besondere Anforderungen an Studierende, Lehrende und Forschende stellen. Was erwartet die HTWK Leipzig? Im Gespräch dazu die Prorektorin für Bildung, Prof. Barbara Mikus, und der Prorektor für Forschung, Prof. Ralf Thiele.
Wie fällt Ihre Bilanz der vergangenen Monate aus?
BM: Fast die komplette Lehre musste digital stattfinden. Nach kurzer Zeit sind sowohl die Dozierenden als auch die Studierenden gut damit zurechtgekommen, wenngleich viel Arbeit mit der Vorbereitung der Lehrveranstaltungen verbunden war. Dafür herzlichen Dank an die Lehrenden für den großen Einsatz!
Bei einigen Studiengängen bzw. einzelnen Modulen war die Umsetzung schwieriger. Wir haben an der HTWK viele Studiengänge, bei denen Lehre in Laboren und Werkstätten unabdingbar ist – das geht nur in Präsenz und dies wurde teilweise auch im aktuellen Semester schon praktiziert, wenngleich unter erschwerten Bedingungen. Natürlich tauschen sich die Lehrenden mit den Studierenden aus, holen deren Feedback ein, um die Stoffvermittlung bestmöglich zu gestalten. Das ist ein laufender Prozess. Die Hochschulleitung hat Lehrende und Studierende ebenfalls nach ihren Erfahrungen im Sommersemester befragt. Die Ergebnisse erlauben gute Einblicke in die Situation der Hochschulangehörigen, sodass wir darauf reagieren und unsere Vorbereitungen auf das kommende Semester so gut wie möglich daran orientieren können. Wir versuchen, auch in diesen Zeiten bestmögliche Lösungen für alle Bereiche zu finden und dabei alle Beteiligten – Studierende, Lehrende und Mitarbeitende – einzubeziehen, ihre Ideen anzuhören und umzusetzen, wo es möglich ist. Nur gemeinsam können wir diese herausfordernde Zeit meistern.
RT: Was die Forschung betrifft, so funktioniert der Zugriff auf Programme und Daten aus dem Homeoffice – selbst bei VPN-Verbindung - nur bedingt. Die Labore, die Experimentiermöglichkeiten und der Erfahrungsaustausch sowie die Kooperationspartner fehlen sehr stark. Doch schnell wurden neue Methoden und Wege analog zu Studium und Lehre gefunden. Wir haben viel gelernt, waren kreativ – und trotzdem: Wir haben Zeit, Geld und Kontinuität verloren. Unser Fokus lag in den vergangenen Monaten sicher zunächst auf der Umstellung und Sicherung der Lehre, was auch richtig war.
Was war das Schwierigste in dieser Zeit - für Studierende, Lehrende, Forschende?
BM: Das Schwierigste aus meiner Sicht war es, die Studierenden mitzunehmen und zu motivieren, das Sommersemester als vollwertiges Studiensemester zu nutzen. Das vergangene Semester wird zwar in fast allen Studiengängen nicht auf die Regelstudienzeit angerechnet, das Ziel war aber, möglichst alle Module und Prüfungen anzubieten und damit die Möglichkeit zu schaffen, in der geplanten Zeit das Studium absolvieren zu können – etwa, indem beispielsweise Bearbeitungszeiten für Abschlussarbeiten verlängert und Prüfungsformen geändert wurden.
RT: Alle haben mit viel Kreativität und Einsatz versucht, den Forschungsbetrieb so gut wie möglich aufrecht zu erhalten. Dabei kamen auf Projektebene häufig digitale Lösungen zum Einsatz oder wurden aus den Gruppen heraus geschaffen. Auch zahlreiche neue Anträge wurde kreiert und eingereicht. Nichtsdestotrotz haben sich die Antragsbedingungen signifikant verschlechtert – durch längere Bearbeitungszeiträume beim Projektträger bis zur Bewilligung, durch zeitliche Lücken in der Antragstellung für Förderprogramme sowie durch sehr große Zurückhaltung gegenüber Forschung bei der Industrie. Diejenigen, die an der Schnittstelle zwischen Lehre und Forschung arbeiten, sind diejenigen, die die Projekte leiten und sich zwangsläufig in ihrer Doppelfunktion verstärkt der Lehre widmen mussten. In der Forschung werden sich die Auswirkungen der Pandemie erst langfristig zeigen, das betrifft Fördermittel und Partnerschaften.
Es gibt im Bereich der Forschung so gut wie keine Unterstützung. Vollmundige Versprechungen der Projektträger zu einer kostenneutralen Projektverlängerung von drei Monaten sind hier wenig hilfreich und unzureichend. Da wir als praxisorientierte Hochschule ca. 80-90 Prozent unserer Forschungsleistungen durch unterschiedlichste Kooperationen mit der Industrie generieren, ergibt sich daraus ein hohes Risiko für die langjährig aufgebaute Forschungslandschaft der HTWK. Sie merken, ich sehe Einiges sehr kritisch.
Wie wird das Wintersemester aus heutiger Sicht aussehen bzw. mit welchen Erwartungen blicken Sie auf die nächsten Wochen und Monate?
BM: Wir werden auf den Erfahrungen des Sommersemesters aufbauen und die Studierenden soweit als möglich unterstützen, auch anhand der Ergebnisse der Studierendenbefragung. In Bezug auf die Lehre ist zu sagen: Es wird wieder Präsenzlehre geben, allerdings in kleinen Gruppen, um Abstände in den Räumen wahren und Hygieneregeln einhalten zu können. Vorrangig wird es sich aber um Mischformen von digitaler und Präsenzlehre handeln. Wie an anderen sächsischen Hochschulen wird die Priorität für den Präsenzunterricht auf die Erstsemester gelegt, um diesen den Einstieg in das Studium zu erleichtern und ihnen auch in Corona-Zeiten ein „Hochschulleben vor Ort“ zu ermöglichen - auch, wenn es natürlich trotzdem ein sehr besonderer Start für sie sein wird. Besonders wichtig erscheint uns das Kennenlernen der neuen Studierenden, deshalb wollen wir auch nicht auf einige Einführungsveranstaltungen in Präsenz verzichten, wenngleich die Einführungsphase dieses Jahr kürzer als üblich stattfinden wird. Das Programm liegt wie üblich in der Hand der Fakultäten bzw. Studiendekaninnen und Studiendekane. Glücklicherweise haben sich unsere zukünftigen Studierenden von den Umständen nicht abschrecken lassen – wir konnten in diesem Jahr wieder gute Bewerbungszahlen verzeichnen.
RT: Mit Blick auf das nächste halbe Jahr muss aus Sicht der Forschung vor allem das Ziel sein, schnellstmöglich und so weit wie möglich zum Forschungsregelbetrieb zurückzukehren. Der Status quo muss personell und inhaltlich gesichert, Risiken müssen minimiert werden. Wenn wir heute nicht erfolgreich gemeinsam mit der Industrie Anträge stellen und bisherige Förderungen von Bund und Land nicht verstetigt werden, verlieren wir morgen Forschungspersonal. Deshalb müssen die Projektleitungen bestehende Industriekontakte verstärkt pflegen, sichern und neue aufbauen. Ich erwarte bzw. erhoffe mir aktivere Beteiligung an Ausschreibungen (mit aufgestockten Budgets), Zuwendung zu aktuellen und neuen Forschungsschwerpunkten, die von Bund und Land gesetzt werden, und dabei mehr und intensivere Zusammenarbeit in der gesamten HTWK. Vorhandene Potentiale müssen genutzt werden, um mehr und neue Kolleginnen und Kollegen mitzunehmen und einzubeziehen.
Gibt es etwas Positives, das wir aus der Krise mitnehmen können? Was haben wir gelernt, was wird bleiben?
BM: Die Digitalisierung an der Hochschule ist einen Riesenschritt vorangegangen, vor allem bei der Anwendung digitaler Lehr- und Lernformate und beim E-Learning, bei Austausch- und Kommunikationsformaten. Das gilt für alle Bereiche der Hochschule. Wir haben Hardware und Software angeschafft, die wir nachhaltig nutzen werden. Unser „Institut für digitales Lehren und Lernen“ (IDLL), das 2019 gegründet wurde und aus unserem E-Learning-Team und weiteren auf das Gebiet der digitalen Lehre spezialisierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besteht, hat vor Beginn des Wintersemesters eine spezielle, virtuelle Ausgabe von „Lunch&Listen“ durchgeführt. Mithilfe von Vorträgen, Workshops und Diskussionen wurden die Kompetenzen in digitaler Lehre weiter ausgebaut und es wird ein Forum zum Erfahrungsaustausch geboten. Das IDLL hat die gesamte Hochschule im Sommersemester stark unterstützt, wofür ich sehr dankbar bin.
RT: Ich bin stolz, wie rasch die Hochschule auf aktuelle Probleme reagieren und wie schnell sie Herausforderungen bewältigen kann. Ein sehr gutes Beispiel ist „Beat2020“ - ein praxisgerechtes Funktionsmuster eines Notfall-Beatmungssystems, das ein interdisziplinäres Team um Prof. Fritz-Peter Schulze gemeinsam mit der Stadt Leipzig und der Uni Leipzig binnen kürzester Zeit entwickelt hat. Doch es braucht immer auch gewisse Freiräume, um auf schwankende Anforderungen und Ereignisse reagieren zu können. Wir brauchen kreative, flexible, motivierte Mitarbeitende in Forschung und Entwicklung, die Lösungen finden.
(Die Fragen stellte Franka Platz.)
Zum neuen Hygienekonzept der HTWK Leipzig (gültig seit 1.10.2020)