Effizienz im Einkauf: Die Erfolgsfaktoren in der Beschaffung indirekter Materialien
Die Beschaffung befindet sich inmitten eines tiefgreifenden strukturellen Wandels. Angesichts dynamischer Marktbedingungen, zunehmender Komplexität globaler Lieferketten und wachsender Anforderungen an Nachhaltigkeit entwickelt sich die Funktion weit über ihre klassische Rolle als reine Bestellabwicklung hinaus. Heute gilt die Beschaffung als strategischer Hebel für unternehmerischen Erfolg – sie stärkt die Resilienz, ermöglicht eine gezielte Kostensteuerung und trägt maßgeblich zur Sicherung von Wettbewerbsvorteilen bei.
Auch die Beschaffung indirekter Materialien, die einen bedeutenden Teil der operativen Ausgaben ausmacht, steht dabei im Fokus der Transformation. Digitale Innovationen und der Einsatz neuer Technologien wie KI eröffnen neue Effizienzpotenziale, die über eine reine Automatisierung hinausgehen. Gleichzeitig stehen viele Unternehmen vor anhaltenden Herausforderungen: veraltete Prozesse, ineffiziente Systeme und eine nur begrenzte technologische Durchdringung verhindern häufig eine ganzheitliche Ausschöpfung dieser Potenziale.
Ziel der Studie
Die Studie, die in Zusammenarbeit zwischen der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) Leipzig und dem Plattformanbieter Unite entstanden ist, beleuchtet die Weiterentwicklung der Beschaffung indirekter Materialien in europäischen Unternehmen. Im Mittelpunkt stehen zentrale Effizienzfaktoren sowie die zunehmende Relevanz von Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Darüber hinaus identifiziert die Studie konkrete Handlungsfelder, mit deren Hilfe messbare Kosteneinsparungen realisiert werden können, und zeigt auf, wie Unternehmen ihre Strategien im Bereich der indirekten Materialien gezielt weiterentwickeln können, um den aktuellen Herausforderungen wirksam zu begegnen.
Angaben zur Studie
Die Daten wurden in einer webbasierten Befragung zwischen Juli und Oktober 2024 erhoben. Die Studie basiert auf den Angaben von 181 Unternehmen aus 18 europäischen Ländern, mit einem Schwerpunkt auf dem deutschsprachigen Raum (46,4 % aus Deutschland). Die befragten Unternehmen repräsentieren eine breite Branchenvielfalt – insbesondere aus Industrie (z. B. Maschinenbau, Metallverarbeitung, Automobil), Dienstleistung, IT und Handel.
Rund 62 % der Unternehmen verfügen über ein indirektes Beschaffungsvolumen von unter 100 Mio. €, während 11 % mehr als 1 Mrd. € umsetzen. Im Durchschnitt entfallen 36,4 % des dieses Beschaffungsvolumens auf indirekte Materialien. Die meisten Unternehmen (über 70 %) beschäftigen weniger als zehn Vollzeitkräfte für diesen Bereich – im Durchschnitt sind es drei. Mehr als 70 % der teilnehmenden Unternehmen haben über 1.000 Mitarbeitende und unterliegen damit direkt ESG-Vorgaben. Die Befragten verfügen über hohe Fachkompetenz: Knapp drei Viertel arbeiten in leitender Funktion im Einkauf oder in der Geschäftsführung.
Ausgewählte Ergebnisse
Die untersuchte Prozesslandschaft besteht aus Demand Management, Sourcing, Supplier Management und Einkauf (Bestellabwicklung).
Das >durchschnittliche< Unternehmen:
- wendet im Demand Management 26 Stunden pro Sourcing-Fall auf.
- wendet im Sourcing pro Fall 17 Stunden auf.
- bearbeitet pro Jahr 30 Sourcing-Fälle.
- wendet 6 Stunden pro Lieferant und Jahr auf und betreut etwa 250 Lieferanten pro Jahr.
- wendet 38 Minuten pro Bestellung auf und bearbeitet jährlich 2.500 Bestellungen, 3.000 Wareneingänge und 3.000 Eingangsrechnungen.
- hat ein jährlicher Aufwand von ca. 5.600 Stunden im Bereich des indirekten Materials.
Der End-to-End-Digitalisierungsgrad in der Beschaffung indirekter Materialien ist nach wie vor begrenzt: Nur 15 % der befragten Unternehmen verfügen über vollständig digitalisierte und integrierte Einkaufsprozesse. Rund 40 % setzen hingegen noch nicht-aufgabenspezifische Tools wie etwa Excel ein. Beim Thema Nachhaltigkeit zeigt sich, dass nur 14 % der Unternehmen bislang keine entsprechenden Vorgaben etabliert haben. Fast die Hälfte der Unternehmen (44 %) verfolgt hingegen eine umfassende ESG-Strategie und misst dem Thema Nachhaltigkeit damit eine hohe Bedeutung bei.
Die Berücksichtigung von ESG-Kriterien in der Beschaffung indirekter Materialien führt laut Angaben der Teilnehmenden zu einem durchschnittlichen Mehraufwand von rund 20 %. Auffällig ist dabei der Zusammenhang zwischen Digitalisierung und Nachhaltigkeit: Zwei Drittel der Unternehmen mit digital integrierten Beschaffungsprozessen verfügen auch über eine umfassende ESG-Strategie. Dies unterstreicht, dass eine systematische und effiziente Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen in der indirekten Beschaffung maßgeblich auf digitale Unterstützung angewiesen ist.
Details
Projektdauer: Dezember 2023 – Mai 2025
Projektpartner: Unite Network SE
Abgeschlossene Projekte
Cluster EINKAUF UND LOGISTIK
- Erfolgsfaktoren in der Beschaffung indirekter Materialien
- Fortgeschrittene digitale Lösungen in Einkauf und SCM
- BME-Barometer „Elektronische Beschaffung“
- Einkauf 4.0: Stand und Perspektiven
- Digitalisierung, Vernetzung, Industrie 4.0
- Indirekter Einkauf
- Purchase-to-Pay-Prozesse
- Wie verändern sich IT-Systeme
- Procurement Intelligence
- Beschaffungsmarktkompass
- METEORIT