Digital Commerce
Der B2C-E-Commerce erlebte im letzten Jahrzehnt ein starkes Wachstum. Im Gegensatz dazu verläuft die Digitalisierung im B2B-Bereich – also der Geschäftsabwicklung zwischen Unternehmen – je nach Warengruppe, Wettbewerbssituation und Kundenstruktur unterschiedlich schnell. Erkenntnisse aus dem gut erforschten Business-to-Consumer-Segment (B2C) lassen sich nur eingeschränkt auf den B2B-Bereich übertragen. Während im B2C häufig eine große Anzahl von Endverbrauchern wenigen großen Anbietern gegenübersteht und die Kaufprozesse meist standardisiert sind, zeichnet sich der B2B-Bereich durch komplexere, vielschichtige Strukturen und Prozesse aus.
Ziel der Studie
Mit der Studie „Digital Commerce“ wird untersucht, welche Trends für die digitale Unterstützung der geschäftlichen Transaktionen zwischen Unternehmen heute und zukünftig relevant sind. Daneben erfolgt eine Bestandsaufnahme der aktuell eingesetzten und geplanten Lösungslandschaft sowie eine Untersuchung der Erfolgsfaktoren und Herausforderungen in der Umsetzung der Digitalisierung. Die Studie soll drei Untersuchungsteile beinhalten.
Die Durchführung der Studie wird unterstützt von Deutsche Telekom MMS GmbH.
Details
Projektdauer: Oktober 2021 – Dezember 2025
Projektpartner: Deutsche Telekom MMS GmbH
Projektbeteiligte:
- Prof. Dr. Holger Müller
- Marcel Graf
Aktueller Stand
Dritter Untersuchungsteil
Zweiter Untersuchungsteil
Erster Untersuchungsteil
Ergebnisse des dritten Untersuchungsteils
– Digitale Produktinformationen – Der Schlüssel zu intelligenten Lösungen –
In die Befragung Mitte 2025 konnten 45 Unternehmen einbezogen werden.
Die wichtigsten Aussagen im Überblick
- Diskrepanz zwischen Wunsch und Realität – Formate und Formatvielfalt:
Produktinformationen werden primär in „analogen“ und in Dokumentenformaten bereitgestellt; spezialisierte E-Commerce-, PIM- oder Datenbankformate sind selten. Unternehmen würden jedoch gern stärker diese standardisierten, maschinenlesbaren Formate nutzen.
Hohe Formatvielfalt – 90 % der Unternehmen sind mit mindestens drei verschiedenen Formaten seitens der Lieferanten konfrontiert. Etwas geringere Komplexität besteht auf der Kundenseite. Mehr als die Hälfte der Unternehmen stellt hier drei oder weniger Formate bereit. - Automatisierungslücken – Verarbeitung und Systeme:
Unternehmen stufen ihren Digitalisierungs- und Automatisierungsgrad überwiegend niedrig ein. Die Umsetzung auf der Empfangsseite (Import) wird deutlich schwächer bewertet als bei der internen Verarbeitung und beim Versand (Export).
Analoge und unstrukturierte Formate erfordern überwiegend manuelle Prozesse beim Import in die Unternehmenssysteme; vollautomatisierte Importketten sind selten etabliert. Unternehmen erkennen die Vorteile einer höheren Automatisierung, rechnen aber offenbar nicht mit sinkender Formatvielfalt und planen vor allem für Tabellen- sowie E-Commerce- und PIM-Formate konkrete Schritte – bei anderen Formaten überwiegt Zurückhaltung.
Beim Export ist ein höherer Automatisierungsgrad als beim Import zu verzeichnen, dennoch gibt es auch hier weiterhin viele manuelle Eingriffe.
ERP dominiert als Hauptsystem zur Verarbeitung von Produktinformationen, ergänzt durch CRM-, PIM-, MDM- und PLM-Systeme. Fileserver sind die häufigste Speicherarchitektur. - Informationsdefizite:
Nur etwas mehr als die Hälfte der Lieferanten sind in der Lage, (nahezu) vollständige Produktinformationen bereitzustellen.
Unternehmen reichern Produktinformationen an: 75 % der befragten Unternehmen können auf der Versandseite (nahezu) vollständige Produktinformationen weitergeben.
Nachhaltigkeits-, Kreislaufwirtschafts- und Lieferketteninformationen fehlen am häufigsten und werden kaum in den Unternehmen angereichert. - Digitaler Produktpass (DPP):
Bisher selten verbreitet – 85 % der befragten Unternehmen erhalten noch nicht oder nur selten einen DPP. Zudem werden DPPs von den befragten Unternehmen häufiger erhalten als für Kunden bereitgestellt.
Unternehmensimage, Nachhaltigkeit und sozialer Druck sind bei der Einführung bisher stärkere Motivatoren als regulatorische Vorgaben. Fehlende Nachfrage von Kunden, geringe Priorität im Unternehmen und technische Unsicherheiten hemmen die Einführung.
Nur knapp die Hälfte der Unternehmen erwartet eine mittlere bis hohe Relevanz in den nächsten drei Jahren; ein klarer Mehrwert des DPP wird bislang offenbar selten erkannt.
Ergebnisse des zweiten Untersuchungsteils
– Digitale Trends im B2B-Vertriebskanal –
In die Befragung Ende 2023 konnten 66 Unternehmen einbezogen werden.
Die wichtigsten Aussagen im Überblick
- Ziele & Zielerreichung:
Knapp 70 Prozent der befragten Unternehmen haben klare Ziele definiert. Verbesserungen gibt es besonders bei Prozesszeiten, Kosten, Fehlerraten und Kundenzufriedenheit. Umsatzsteigerung ist die Top-Priorität – nur 19 Prozent verfehlen dieses Ziel. Dennoch sind nur 30 Prozent der Unternehmen mit ihrem digitalen B2B-Vertriebskanal aktuell zufrieden. - Key Performance Indicators (KPIs):
Wichtigste KPIs sind Gewinnmarge, Conversion Rate und Return on Investment. Die meisten Unternehmen können diese Kennzahlen messen, haben aber Schwierigkeiten bei komplexeren KPIs wie dem Customer Lifetime Value, Return on Ad Spend oder der Kundenbindungsrate. - Nutzungsdauer & Umsatz:
Zwei Drittel der befragten Unternehmen nutzen den digitalen B2B-Vertriebskanal seit mindestens drei Jahren – teilweise schon deutlich länger. Knapp 30 Prozent des B2B-Umsatzes wird mittlerweile digital generiert. Kleine und mittelständische Unternehmen weisen sogar höhere Anteile als Großunternehmen auf. Das Auslandsgeschäft im digitalen B2B-Vertriebskanal scheint schneller als das Inlandsgeschäft zu wachsen. - Triebkräfte & Investitionsbereitschaft:
Knapp 80 Prozent der Geschäftsführungen treiben die digitale Entwicklung voran, was auch mit Abstand als wichtigster Erfolgsfaktor gesehen wird. Der analoge B2B-Vertriebskanal erhält jedoch nach wie vor in der Breite mehr Aufmerksamkeit. Immerhin ein Drittel der Unternehmen geben jedoch mittlerweile mehr für die Weiterentwicklung und den Betrieb des digitalen im Vergleich zum analogen B2B-Vertriebskanal aus. - Digitale Trends:
„Personalisierung der Customer Journey“ und „Omnichannel Customer Experience“ sind die wichtigsten Zukunftsthemen. Aktuell am weitesten verbreitet sind Lösungen in den Bereichen „Erweiterte Zahlungsoptionen“, „Mobile Commerce“, „Dynamic Pricing“ sowie „Omnichannel Customer Experience“. - Hindernisse:
Über 40 Prozent der Unternehmen sehen keine wesentlichen Hindernisse beim Ausbau des digitalen Vertriebs. Wenn Probleme auftreten, betreffen sie meist innerbetriebliche Widerstände und Datenqualität. - Angebotsformen & Vertriebskanäle:
Die Hälfte der Unternehmen sehen eine physische Präsentation und Beratung ihrer Produkte oder Dienstleistungen nicht (mehr) als notwendig an.
Bei Standardangeboten „von der Stange“ nutzen über 70 Prozent der Unternehmen einen eigenen Online-Shop mit großem Abstand vor allen anderen Systemen. Zukünftig wird neben dem Online-Shop aber auch die voll automatisierte Bestellung aus Kundensystemen mit fast der gleichen (sehr) hohen Relevanz gesehen.
Bei kundenindividuellen Angeboten setzt die Hälfte der Unternehmen ein eigenes System ein. Ebenso eine Hälfte der Unternehmen bedient Systeme der Kunden. Zukünftig wird die Relevanz des eigenen Systems höher als die von Kunden- oder Drittsystemen eingeschätzt. - Entwicklung & Betrieb der IT-Lösungen:
Die Mehrheit setzt bei Shops und Marktplätzen auf das Customizing von Standardlösungen. Eigene Systeme für kundenindividuelle Anfragen sind dagegen überwiegend Eigenentwicklungen. Über 75 Prozent der Unternehmen greifen auf Dienstleister für die Entwicklung uns den Betrieb des digitalen B2B-Vertriebskanals zurück. Insbesondere die Konzeption und Implementierung der Systeme wird durch Dienstleister unterstützt. Knapp 60 Prozent der Unternehmen sehen einen mittleren oder (sehr) großen Personalbedarf für den Aufbau, die Weiterentwicklung oder den Betrieb des digitalen Vertriebskanals.
Ergebnisse des ersten Untersuchungsteils
– Erfolgsfaktoren des B2B-Vertriebskanals –
In 2022 konnten 45 Unternehmen in die Studie einbezogen werden.
Fast die Hälfte der befragten Unternehmen nutzt den direkten digitalen B2B-Vertriebskanal weniger als drei Jahre und haben demzufolge den Einstieg vermutlich vor allem bedingt durch die Corona-Pandemie gewagt. Knapp 40 Prozent der Unternehmen können auf eine Erfahrung von mehr als fünf Jahren zurückblicken.
Im Durchschnitt erzielen die Unternehmen im direkten digitalen Vertriebskanal bisher etwas mehr als ein Viertel des gesamten B2B-Umsatzes. Er ist demzufolge ein wesentlicher Baustein des Gesamtumsatzes geworden – wobei der Anteil zwischen den Unternehmen erheblich streut.
In der Studie konnten sechs Erfolgsfaktorenidentifiziert werden
1. Unterstützung durch die Geschäftsführung und Fokus auf den digitalen Kanal
Die Unterstützung durch die Leitungsebene ist ein wesentlicher Faktor für die Etablierung eines digitalen Vertriebskanals. Bei erfolgreichen Unternehmen ist diese überproportional gegeben. Damit einher geht eine klare Prioritätensetzung – der digitale Vertriebskanal etabliert sich nicht nebenbei.
2. Ziele definieren und messen
30 Prozent der Unternehmen haben keine Ziele definiert – von denjenigen, die sich Ziele setzen, können nur etwas mehr als die Hälfte diese messen. Eine klare Zielorientierung und -messung sind aber die Grundvoraussetzungen für den Erfolg.
3. Kontinuierlich investieren
Der digitale Vertriebskanal darf nicht als einmaliges Investitionsprojekt verstanden werden. Daten, Prozesse und Systeme bedürfen einer kontinuierlichen Pflege und Weiterentwicklung. Erfolgreiche Unternehmen investieren regelmäßig. Nebeneffekt: Keines der führenden Unternehmen war bisher Opfer einer Cyber-Attacke.
4. Nutzung mehrerer Systeme unterschiedlicher Betreiber
Es ist aktuell nicht ausreichend, sich auf ein System zu konzentrieren. Erfolgreiche Unternehmen nutzen parallel Lösungen mit verschiedenen Betreibern–neben dem eigenen System auch die Systeme der Kunden und von Dritten. Mittelfristig gibt es einen leichten Trend zum verstärkten Einsatz der eigenen Lösungen.
5. Integrierte Datenverwaltung
Die Datenqualität ist die Grundvoraussetzung für eine fehlerfreie Digitalisierung im B2B-Vertriebskanal. Erfolgreiche Unternehmen können hier die manuellen Eingriffe minimieren. Sie weisen einen höheren Integrationsgrad der Systemlandschaft auf und sind besser in der Lage, die relevanten Daten automatisiert zusammenzuführen und den Systemen bereitzustellen.
6. Ressourcen- und Kompetenzaufbau
Mangelnde interne Ressourcen wird als Hauptgrund für eine Behinderung des Ausbaus der Aktivitäten angegeben. Erfolgreiche Unternehmen stellen interne Ressourcen in ausreichendem Maße zur Verfügung und bauen gezielt IT-Kompetenzen auf. Dennoch wird vom Entwurf der Systeme, über die Implementierung und Testung bis hin zum technischen Betrieb gezielt mit Dienstleistern zusammengearbeitet, um deren spezifischen Kompetenzen zu nutzen.





